Im Spätsommer 2010 entschied der Bundesgerichtshof, dass Anleger nicht mehr unbedingt den Verkaufsprospekt für einen geschlossenen Fonds lesen müssen (BGH Az. III ZR 249/09). Bis zu diesem Urteil handelte derjenige “grob fahrlässig”, der sich den Verkaufsprospekt nicht angeschaut hatte. In diesen meist rund 100 Seiten starken Werken finden sich viele Fachausdrücke, aber auch Risikohinweise. Bisher begann die Verjährungsfrist für eine eventuelle Falschberatung mit Datum Überreichung des Prospekts.
Nun urteilten die Richter: “Eine grob fahrlässige Unkenntnis des Beratungsfehlers ergibt sich nicht daraus, dass es der Anleger unterlassen hat, den Emissionsprospekt durchzulesen und die Ratschläge und Auskünfte des Anlageberaters zu kontrollieren.” Im verhandelten Fall ging es um einen geschlossenen Immobilienfonds, Anlagebetrag 150.000 Deutsche Mark, aus dem Jahr 1999. Seit 2005 war die Immobilie unter Zwangsverwaltung. Der Anleger hatte bereits in der Vorinstanz Schadenersatz zugesprochen erhalten. Denn die Verjährungsfrist beginnt nach richterlicher Auffassung erst dann, wenn der Anleger das Risiko erkennt – auch wenn er da den Prospekt schon lange in seinen Unterlagen hat.
Schadenersatz für Anleger
In einem zweiten Urteil legten die BGH-Richter nach und sprachen einem Anleger Schadenersatz zu (Az. III ZR 203/09): Ein Anleger handele nicht grob fahrlässig, wenn er nicht gleich nach Aufforderung zum Nachschuss in einen geschlossenen Immobilienfonds den Prospekt nochmals durcharbeite, um dann die Falschberatung (vor Zeichnung fehlende Hinweise auf möglichen Totalverlust und nicht vorhandenen Zweitmarkt) zu erkennen und geltend zu machen. Im verhandelten Fall erkannten die Anleger dies erst nach Hinweis ihres Anwalts Jahre später. Der Verkaufsprospekt diene vorrangig der Information des Anlageinteressenten in Zusammenhang mit der Anlageentscheidung und nicht dazu, die Richtigkeit im mündlichen Beratungsgespräch getroffener Angaben des Beraters lange Zeit nach der Anlageentscheidung zu kontrollieren.
“Ein Anleger sollte wissen, in was er sein Geld anlegt”
Georg Hetz von UDI, einem auf ökologische Finanzdienstleistungen spezialisierten Anbieter, sieht diese Urteile kritisch und empfiehlt: “Ein Anleger sollte wissen, in was er sein Geld anlegt. Dazu gehört insbesondere, sich die Produktunterlagen genau anzuschauen. Das gilt für ein einfaches Tagesgeld genauso wie für einen geschlossenen Fonds, zum Beispiel die aktuell boomenden Solarfonds. Deswegen stellen wir unseren Kunden immer den Verkaufsprospekt vor Zeichnung zur Verfügung und empfehlen auch, ihn genau durchzulesen. Im Idealfall gehen wir ihn gemeinsam mit dem Anleger durch. Denn nur so kann der Anleger alle relevanten Informationen erhalten, die er für seine Anlageentscheidung benötigt. Dass Anleger den Prospekt nicht mehr lesen sollen, halte ich eigentlich für fahrlässig.”
Die BGH-Urteile sind nach Ansicht von Georg Hetz aber dahingehend wichtig, dass sich kein Berater mehr aus seiner Verantwortung stehlen kann, indem er relevante Informationen – sprich Risiken – nicht nennt, den häufig rund 100 Seiten umfangreichen Verkaufsprospekt im Nachgang überreicht und bei späteren eventuellen Problemen darauf verweist: “Steht doch alles im Prospekt …”
Quelle: rgz Bildquelle: Foto: djd / UDI / CJS